Der misantrophe Drucker

Das Vorhaben: ein Blatt ausdrucken. Schwarzweiß. Die dafür zuständige Patrone ist halbvoll.

Der Widersacher: Ein zwei- bis dreimal pro Woche genutzter Epson-Drucker nicht allerjüngster Bauart.

Der Verlauf: Druckauftrag auf PC aufgerufen, im Dialog den Drucker ausgewählt, Drucker eingeschaltet.

Der Drucker läuft an, dreht seine Walzen, hält inne und gibt dann drei langgezogene Piepser von sich. Auf PC-Monitor und Drucker-Display erscheint dieselbe Nachricht: „Magenta ist leer, bitte wechseln.“

Aber ich will doch nur Schwarzweiß, und die SW-Patrone ist noch halbvoll. Dass Magenta leer ist, spielt da doch gar keine Rolle.

Null Verhandlungsspielraum

Ich finde keine Möglichkeit, die Aufforderung zu umgehen. Also fische ich die geforderte Magenta-Tintenpatrone aus einer Schublade, öffne den Drucker, warte darauf, dass der Schlitten die Patrone freilegt, wechsele die Patrone und schließe den Druckerdeckel wieder.

Der Drucker mahnt: „Setzen Sie den Deckel auf die Patrone.“ Ich tippe auf OK. Der Drucker rödelt ein bisschen und gibt dann wieder drei lange Piepser von sich.

„Cyan ist leer, bitte wechseln.“ Aber ich will doch nur …

Ich ziehe die Schublade mit den Patronen auf, suche nach der Cyan-Patrone, reiße die Hülle auf, öffne den Druckerdeckel, warte auf den Schlitten, wechsele die Patrone, schließe den Drucker wieder.

„Setzen Sie den Deckel …“ Jaja, schon gut, OK. Der Drucker rödelt wieder mit seinen Walzen und gibt wieder drei langgezogene Piepser von sich.

„Photo Schwarz ist leer. Bitte wechseln, sonst drucke ich nicht.“ Ich reiße die Schublade mit den Tintenpatronen auf, kralle mir die Photo-Schwarz-Patrone, reiße den Druckerdeckel hoch, starre den lahm in Position schliddernden Schlitten an, wechsele mit letzter Beherrschung die Patrone und schließe den Deckel mit Schmackes.

„Setzen Sie den …“ Setz Deinen Deckel sonstwohin. OK. Tief durchatmen, kurzer Moment der Ruhe.

Drucken? Warum sollte ich das denn tun?

„Das sind aber keine Originalpatronen“, informiert mich das Drucker-Display. Das weiß ich, Druck auf OK.

„Studien zufolge sind unsere Original-Patronen …“ Ich drücke auf Abbrechen und lande wieder beim vorherigen Dialog: „Das sind aber keine Originalpatronen.“ Weiß ich, OK.

„Studien zufolge sind unsere Original-Patronen viel, viel, viel besser blablabla …“ Nach unten scrollen, nach unten scrollen.

„Verstehen Sie, was wir Ihnen damit sagen wollen? Ihr Verhalt zeigt mangelnden Respekt für unser Geschäftsmodell.“ Knopf drück. „Wollen Sie wirklich weiterdrucken? Mit diesen minderwertigen Patronen?“ Knopf drück.

Missmutig rödelt der Drucker zwei Minuten lang vor sich hin, öffnet dann den Druckschacht und hält inne. Entgegen meiner Erwartung materialisiert sich im Schacht kein bedrucktes Blatt. „Abbrechen“ hat offenbar auch den Druckauftrag abgebrochen.

Ich schicke den Druckauftrag neu ab. Auf dem PC-Monitor erscheint ein Dialog: „Das sind aber keine Originalpatronen. Wollen Sie wirklich weiterdrucken?“ Klick auf OK.

Der Drucker dreht seine Walzen, zieht Papier ein, spuckt widerwillig das Blatt aus. Schwarzweiß. Gedruckt mit der schwarzen Patrone. Es scheint ihm gleichgültig, dass hier beinahe ein Zimmerfenster aufgegangen und ein Epson-Drucker aus dem Fenster geflogen wäre.

Ich bin wieder eine halbe Stunde älter geworden.