In meiner Kindheit muss ich mehr Werbung konsumiert haben, als mir bewusst war. Wenn ich an einem WMF-Laden vorbeiwandele, denke ich unwillkürlich an immer dasselbe Wort: „Cromargan“.
Denn nur WMF benutzt Cromargan®. Und dieses Alleinstellungsmerkmal wurde (und wird) fleißig beworben. Im Chemieunterricht guckte ich in meiner grenzenlosen Naivität auf der Periodentabelle zuerst nach Cromargan. Da das wohl etwas Edles war, wähnte ich unter den dreistelligen Elementen. Fehlanzeige.
Ich habe mir dann zusammengereimt, dass es sich wohl um eine Legierung handeln wird. Crom klingt wie Chrom, also wird da wohl Chrom drin sein (Ordnungszahl 24), und Argan … äh … wieder Fehlanzeige auf der Periodentabelle. Es gibt zwar eine Arganie, das ist aber ein Baum.
Disclaimer: Ehrlichkeitshalber muss ich zugeben, dass ich mich gerade tierisch über etwas aufrege, woran ich nichts ändern kann. Diese geballte Wut kanalisiere ich jetzt in meine Enttäuschung darüber, dass Cromargan nichts als ein Marketing-Wort ist und WMF mir diesen Scheiß in den Kopf gesetzt hat, als sei es Wissenschaft.
Chrom plus Baumholz gleich Cromargan
Cromargan ist kein mysteriöses Supermetall, sondern der Markenname für einen Edelstahl, dem 18 Prozent Chrom und 10 Prozent Nickel beigesetzt wurden. Das „Argan“ kommt in den Namen, weil es an Silber erinnern soll, was auf Lateinisch Argentum heißt. (Schreibt Wikipedia jedenfalls.)
Folgende alternative Bezeichnungen wurden von der WMF-Marketing-Abteilung verworfen: Pseudosilber, Scheinsilber, Falschsilber, Katzensilber. Reine Mutmaßungen meinerseits. Da die Wortmarke von 1929 stammt, hieß die zuständige Abteilung damals vermutlich noch Absatzwirtschaft. Oder Propagandabüro?
Dunkel erinnere ich mich daran, dass WMF damals heftigst damit geworben hat, nur WMF verarbeite Cromargan. Rückblickend kein Kunststück, wenn sie sich das Wort ausgedacht und als Marke geschützt haben. Mein Kinderhirn war aber schon damals misstrauisch: „Wenn das wirklich so toll ist, wie die sagen, warum benutzt das sonst keiner?“ Weil Bläh. Es ist einfach nur ein Edelstahl mit geschütztem Fantasienamen.
Mit der Qualität dieses proprietären Edelstahls ist es meiner Erfahrung nach auch nicht so weit her. Zu Studienzeiten hatten wir mal WMF-Besteck zum Aufhängen geschenkt bekommen, mit einem Loch am Ende. In diesem Loch hat sich immer mal wieder Rost festgesetzt, „Cromargan“ hin oder her. Die Messer sind mit der Zeit auch stumpf geworden. Ebay zufolge heißt sowas Hängebesteck und die Besteckserie hieß „Point“. Gibt’s wohl nicht mehr. (Auch in unserem Haushalt nicht.)
Weiterführende Links
- YouTube-Video eines WMF-Junkies mit Homer-Simpson-T-Shirt (2:09)
- WMF-Werbung aus den 50-er Jahren, in dem das Wort Cromargan nicht einmal vorkommt, aber die Schutzmarke „Württembergische Metallwarenfabrik“ zur vollen Geltung kommt
- SWR über WMF-Hype vs. Realität, von 2013. Halbwegs interessant wird es erst ab Minute 9:00.
- NDR-Sendung über Qualitätsmängel bei WMF, von 2014. Haupterkenntnis: Nur wenn auf dem Topf unten „Made in Germany“ steht, sind sie tatsächlich aus Deutschland.
- Wikipedia-Artikel über WMF — demzufolge hat der Hersteller noch das schöne Wort „Ikora“ im Köcher.
Beim deutschen Patent- und Markenamt habe ich weitere wohlklingende Markenbegriffe der WMF Group gefunden: Combitherm, Keragan, Keramail, Omnia, Purargan, Thermogan, Topstar, Transtherm, Variofix, Votum, und, natürlich: „WMF Perfect“ .