Gestern ist auf Heise Online mein Artikel über 30 Jahre Myst erschienen, mein zweiter Spiele-Rückblick nach Day of the Tentacle im Juni 2023.
Ich gebe mir alle Mühe, diese klassichen PC-Spiele ohne rosa Brille zu rezensieren. Bei Day of the Tentacle (im Folgenden DOTT) ist mir das nicht leicht gefallen, weil ich ein großer Fan bin. Bei Myst hatte weniger Hemmungen, weil mich der Titel schon vor 30 Jahren zur Weißglut gebracht hat. (Nicht, dass mich DOTT seinerzeit nicht auch frustriert hätte.)
Meine unverblümte Meinung
Von Day of the Tentacle gab es seit dem Ur-Spiel nur ein Remake, von Myst inzwischen vier! Das DOTT-Remake finde ich überaus gelungen, aber an diesem Adventure war schon zuvor wenig auszusetzen. Myst hingegen … oh je.
Zwar stellte das Entwicklerstudio Cyan 1993 eine wunderbar atmosphärische Welt bereit. Als Spiel war Myst hingegen eine echt harte Nuss. In DOTT wissen Spieler stets, was ihre Ziele sind. In Myst soll wohl der Weg das Ziel sein — aber selbst das Erschließen dieser Wege fällt schwer. Immer wieder verlor ich die Orientierung, auch als ich die Gegenden auf Papier zu kartografieren begann.
Das erste große Myst-Remake, RealMyst, schaffte zumindest dieses Riesenproblem aus der Welt. RealMyst benutzte eine 3D-Engine, ähnlich wie ein Ballerspiel, und plötzlich waren die schmalen Pfade in der Baumwelt „Channelwood“ problemlos navigierbar. Andere Ärgernisse („WAS SOLL ICH HIER VERDAMMT NOCHMAL TUN?“) blieben.
Aus dieser Perspektive war das jüngste Remake, „Myst 2021“, eine besondere Enttäuschung. Wie zum Kuckuck kann es angehen, dass ich 2023 ohne Not wieder an denselben Stellen festhänge wie 1993? Dabei rege ich mich nicht einmal über die fiesen Puzzles auf, sondern ganz speziell über ein Detail.
30 Jahre defektes Gameplay
In der Baumwelt müssen Spieler hölzerne Aufzüge in Betrieb nehmen. Das dahintersteckende Prinzip ist seit RealMyst relativ einfach zu verstehen. (Im Ur-Myst sind dabei, glaub‘ ich, meine ersten Haarbüschel grau geworden.) Dann betrete ich den Aufzug, ziehe den Hebel rechts, und es passiert … NICHTS!
Ich ziehe den Hebel erneut, und es passiert wieder nichts. Ich verlasse den Aufzug, vermute ein Fehler in meiner Lösung, ändere erfolglos diverse Dinge, und stelle irgendwas fest, dass meine ursprüngliche Lösung doch richtig gewesen sein musste. Ich stelle mich wieder in den Aufzug, ziehe am Hebel, wieder erfolglos.
Zeit vergeht.
Plötzlich rührt sich eine dunkle Erinnerung in mir: Da war doch was. Das war doch schon mal ein Problem. Ich klicke links auf die offene Tür des Aufzugs. Die Tür klappt zu. Ich ziehe den Hebel und der Aufzug setzt sich in Bewegung. Wohlgemerkt, das alles bei dem vierten Remake dieses Spiels, Myst (2021).
In 30 Jahren haben die Entwickler es nicht fertig gebracht, Spielern auch nur ein winziges bisschen Feedback darüber zu geben, was sie tun müssen. Denkbare Optionen: Der Aufzug hätte kurz wackeln können, um dann wieder still zu stehen. Dann hätte ich gewusst: „im Prinzip richtig, aber etwas fehlt.“ Oder … ganz wagemutige Idee: Die verflixte Tür könnte einfach zuklappen, wenn ich den Hebel ziehe! Aber nein.
(Es sei nicht verschwiegen, dass im Spiel an einer früheren Stelle ein anderer Aufzug vorkommt, der sich ebenfalls erst in Bewegung setzt, wenn Spieler vorher die Tür schließen. Aber … es gibt auch Aufzüge mit automatischen Türen! Und das mit der Tür war schon beim allerersten Aufzug mühsam.)
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