Die erste meiner beiden Grundregeln journalistischer Arbeit lautet: „Die Namen müssen stimmen“. Bei Menschen halte ich diese Maxime für unverhandelbar. Bei den Namen von Firmen und Produkten sehe ich das anders. Das sind keine natürlichen Namen, die kommen aus einem Komitee, wenn nicht gar von einer Marketing-Agentur.
Beim Benennen von Produkten und Herstellern ist das Ziel, hervorzustechen. Bestimmte Tricks bei der Namensgebung machen mich allerdings etwas aggressiv – vor allem seltsame Großschreibung und ausgefallene Interpunktion.
Vor langer, langer Zeit, nannten sich US-Firmen „AAA Irgendwas“ und „ACME“, um im Telefonbuch ganz vorne zu stehen (Für die jüngeren Leser: Telefonbücher waren schwere Papierwälzer, in denen Anschlussinhaber, also Besitzer von Fernsprechern, namentlich sortiert standen. Prä-Internet). Bands nannten sich „Abba“ oder „ZZ Top“, um im Regal des Plattenhändlers leichter gefunden zu werden (Für die Jüngeren: Plattenhändler waren … seufz).
Diese Zeiten sind vorbei. Stattdessen versuchen Hersteller heute oft, durch auffallende Schreibweisen aufzufallen.
So, bevor jetzt ganz viel Text kommt, eine kurze Zusammenfassung:
- durchgehende Kleinschreibung ist peinlich, Großbuchstaben nach dem ersten Buchstaben noch peinlicher
- durchgehende Großschreibung bleibt Akronymen vorbehalten, die man eh nicht als Wort ausspricht (z.B. DLG)
- Einzelne Großbuchstaben in Wörtern tun nicht weh (PageMaker)
- Interpunktion in Wörtern ist Teufels!werk
Klein anfangen als understatement
Das Elend beginnt mit kleinen Anfangsbuchstaben: Gerade in der englischen Sprache ist das ja das Alleinstellungsmerkmal eines Namens, dass er großgeschrieben wird. Dann kamen eBay und Apple mit seinen iDingern, was jüngst in „macOS“ gipfelte.
Zu Studienzeiten gab es Kommilitonen, die schrieben stur alles klein. Die scheinen das später in Marketing-Agenturen bei der Produktnamensgebung durchgezogen zu haben. Selten sehe ich Microsoft als Vorbild, aber immerhin: Excel, Word, Windows, das sind alles saubere Wörter. Nur das Buchstabieren von „soon“ hat in Redmond offenbar Probleme bereitet. Ich kann mir sogar denken, welcher meiner Mitstundenten das war.
Durchgehend kleingeschriebene Namen lassen sich recht einfach mit großen Anfangsbuchstaben versehen. Ebay und Iphone sehen allerdings komisch aus. Die New York Times bügelte derartige Namen jahrelang je nach Fall gerade, was zu „Ebay“ und IPad“ führte. Inzwischen schreibt die NYT übrigens auch „iPad“, vermutlich hat das Korrektorat irgendwann kapituliert.
Alles groß ist DOOF
Bei Herstellern, die sich oder ihre Produkte in Großbuchstaben schreiben, ist die Sache klar: Ist der Name ein Akronym, schreibt man ihn groß – wenn nicht, dann nicht. Ergo: ADAC und WMF, aber Ikea, Lego usw.
Hier ist aber auch wieder etwas Flexibilität angesagt: Die Supermarktkette „Plus“ schreibt sich zivil, obwohl ihr Name ein Akronym ist (Prima leben und sparen). Abus, Edeka und Rewe setzen sich auch aus Anfangsbuchstaben zusammen, werden aber trotzdem meist wie reguläre Wörter geschrieben – „EdeKa“ sieht auch mächtig komisch aus.
Geschrieben wie ein Kamel
„Camel Case“ ist eine Form, Wörter so zusammenzuziehen, dass ihre Grenzen erkennbar bleiben. Im Deutschen heißt sowas „Binnenmajuskel„, was ich für eine vertane Chance halte – BinnenMajuskel wäre viel schöner.
Der Klassiker unter den Binnenmajuskeln ist „McDonald’s“. Weitere Beispiele gibt es wie Sand am Meer: CinemaScope, MasterCard, VisiCalc … und dann wollen sich immer noch Leute allen Ernstes dem Binnen-I aus grammatikalischen Gründen verschließen.
Hier bin ich kompromissbereit: BinnenMajuskeln übernehme ich, ohne mit der Wimper zu zucken, die tun mir nicht weh. Wenn jemand solche Konstrukte wieder plattbügelt, finde ich das auch nicht schlimm. Hauptsache, die beschlossene Regel wird durchgehend eingehalten: Entweder CompuServe oder Compuserve, Hauptsache immer gleich.
Interpunktionen: am falschen Ort
Besonders grässlich finde ich Punkte oder andere Satzzeichen mitten im Namen. Satzzeichen haben eine Funktion, und die besteht nicht in der Auflockerung von Firmen- oder Produktnamen.
Da gibt es beispielsweise die Marke „Be Quiet“, die der Hersteller als „be quiet!“ schreibt, also mit kleinbuchstaben und Ausrufezeichen. Das finde ich ebenso sinnfrei wie seinerzeit „CorelDRAW!“ – das mittlerweile immerhin das Ausrufezeichen hinter sich gelassen hat. Dennoch: Da „Draw“ keine Abkürzung ist, sehe ich nicht ein, es in Großbuchstaben zu schreiben. Also wird bei mir daraus „Be Quiet“ und „CorelDraw“.
Ich bin bei Weitem nicht der einzige, der derart übertrieben kunstvolle Namen eigenmächtig wieder zurechtbiegt: Online habe ich sowohl „BeQuiet“ als auch „Bequiet“ gelesen – in diesem Fall finde ich die Binnenmajuskel lesbarer.
Cleverer Gag, schreckliche Schreibweise
Das am absurdesten geschriebene Produkt, das mir beruflich untergekommen ist, war der Web-Editor „Hotmetal Pro“ – oder, in der Schreibweise des Herstellers: „HoTMetaL PRO“. Eigentlich steckte in dieser chaotisch aussehenden Schreibweise ein cleverer Gag. Webseiten werden in der Seitenbeschreibungssprache „HyperText Markup Language“ geschrieben, kurz HTML. Da werfe man erst ein „o“ dazwischen und dann noch ein „eta“, und voilà: HoTMetaL.
Obwohl ich den Witz sofort verstanden hatte, wurde mir bei jedem Anblick des Logos ein bisschen schlecht. Zumal es keinen Grund dafür gab, das „PRO“ großzuschreiben. Und so schrieb ich in Produkttests entweder „HotMetal Pro“ oder Hotmetal Pro“. Irgendwann wurde das Produkt dann vom Markt genommen und ich fand wieder zu meinem Seelenfrieden zurück.
(Bildquelle: Amazon.co.uk – das Produkt ist „currently unavailable“)