Schwere Sprache: Apostrophe

Aufgrund meiner wildbewegten Jugend fühlt sich Deutsch für mich mitunter wie eine zweite Sprache an. In meinem Hinterkopf laufen eigentlich dauernd Spanisch und Englisch parallel mit. Wenn die Sprachen im Kopf nicht mehr synchron laufen, fallen mir diverse Kuriositäten auf.

Ein schönes Beispiel ist, wie sich der englische Genitiv schleichend, aber unausweichlich in der deutschen Sprache breitmacht.

Zur Zuordnung verwendet die deutsche Sprache den Genitiv. „Saras Mutter“ ordnet Sara eine Mutter zu. Im Englischen ist es ähnlich, nur kommt hier ein Apostroph hinzu: „Sara’s mother“. Das ist eigentlich ganz praktisch, weil es den Bezug vom Namen abgrenzt.

Und so mogelt sich dieser Apostroph still und leise in den deutschen Sprachgebrauch, bis plötzlich „Leni’s Friseurteam“ auf der Markise steht. Und das ist gar nicht mal falsch – jedenfalls nicht mehr.

Die Duldung des Deppenapostroph’s

Sprach-Snobs haben das falsch gesetzte Genitiv-Apostroph gern als „Deppenapostroph“ bezeichnet. Doch Sprache wächst und mutiert, und so rechtfertigt der Duden bei ausgewählten Genitiv-Konstruktionen tatsächlich das Apostroph-s:

„Der Apostroph wird gelegentlich zur Verdeutlichung der Grundform eines Personennamens gebraucht [, etwa] vor dem Genitiv-s“.

So lautet jedenfalls die Dudenregel 16, die als Beispiele „Andrea’s Blumenecke“ und „Willi’s Würstchenbude“ nennt. Denn keiner soll glauben, dass in dieser Bude das Würstchen von Bruce Willis zu bewundern wäre.

Sprache wächst und gedeiht

Früher hat es mir richtig in den Zähnen gezogen, wenn ich im Deutschen ein Apostroph-S las. Mittlerweile weiß ich zu schätzen, dass es den Genitiv überhaupt noch gibt. In der gesprochenen Sprache weichen ihm die Leute meist lieber à la „die Mutter von Sara“ aus. Bastian Sick hat aus derartigen Sprachschlampereien eine Karriere gemacht (die ich ihm ein bisschen neide, wie mutmaßlich alle anderen Sprachneurotiker).

Ich versuche, es pragmatisch zu sehen und gehe mit der Zeit. In 20 Jahren steht vermutlich vor jedem Genitiv-S ein Apostroph. Aber dennoch habe ich es nicht übers Herz gebracht, diesen sprachlichen Ausflug „Gerald’s Sprachcorner“ zu taufen.

Bonus: Meine Hochachtung vor dem Genitiv verdanke ich Christian G., einem spitzfindigen Kommilitonen aus Hamburg. Christian räusperte sich jedes Mal, wenn ich im Eifer des Redegefechts einen Dativ verwendete anstelle eines Genitivs. Meine nächste Atempause nutzte er gnadenlos, um meinen letzten Satz zu korrigieren.

So etwas macht paranoid. Um seinem Geräusper auszuweichen, achtete ich bald peinlichst auf meine Genitive. Bis heute räuspert in meinem Hinterkopf ein kleiner Christian, wenn jemand anderes im Gespräch einem Genitiv ausweicht.