[Update] Griechen statt Inder

Die Coronavirus-Mutationen sollen jetzt bitte nicht mehr nach dem Ort ihrer Entdeckung benannt werden, sondern nach griechischen Buchstaben. Keine Ahnung, ob die Griechen gefragt wurden, wie sie das finden.

Die Medien straucheln noch ein bisschen bei der Umsetzung. Zu lesen sind dann unweigerlich Konstrukte wie „zuerst in Indien nachgewiesene Delta-Mutante“ … was natürlich viel besser ist als der Zustand zuvor.

Ein kleiner Überblick über die bisherigen Varianten:

med. NameGriechischVolksmundMerkmal
B.1.1.7AlphaBritische Mutanteansteckender
B.1.351BetaSüdafrikanische Mutantenoch ansteckender
P.1GammaBrasilianische Mutantenoch ansteckender
B.1.617.2DeltaIndische Mutanteviel ansteckender
Quelle: Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC), Robert-Koch-Institut (RKI)

Ursache für die Umbenennung war, dass sich die betroffenen Nationen diskriminiert fühlten. Insbesondere die indische Regierung zeigte sich empört.

Regionale Zuordnungen sind politische Munition

Das ist auch nicht ganz unverständlich: Ein Ex-Präsident, dessen Name nicht genannt werden darf, hat Covid-19 einst als „Wuhan-Virus“ und „Kung Flu“ verunglimpft, mit eindeutigen Absichten.

(Wer es noch nicht fünfundzwanzig Mal gelesen hat: Die Spanische Grippe von 1918-1920 stammte eigentlich aus den USA. In Spanien wurde sie lediglich zuerst dokumentiert – die anderen Länder hatten den Ausbruch der Krankheit systematisch zensiert.)

Nun waren „Britische Mutante“ & Co. nie offizielle Namen für Covid-19-Varianten, aber die offizielle Bezeichnung „Beh eins eins sieben“ ging halt schlecht über die Lippen. So griffen Volksmund und Medien halt zur Selbsthilfe.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hofft offenbar, dass eine offizielle, aussprechbare Kennung die Leute davon abhält, immer wieder auf den Ursprungsort zu verweisen.

Ich zweifle. Ungeschickt bzw. praxisfern finde ich insbesondere, dass die „zuerst in China nachgewiesene“ Urform keinen Namen erhalten hat.

Update: Es gibt übrigens noch weitere griechisch betitelte Varianten, Epsilon bis Kappa. Das sind aber nur „Variants of Interest“, keine „Variants of Concern“. (Von Interesse, aber kein Grund zur Besorgnis. So, so.)

Ausblick auf künftige Varianten

Hier eine kleine Vorschau auf die kommenden Varianten aus einem Entwurfsschreiben, das aus einem Papierkorb der WHO gefischt wurde:

med. NameGriechischVolksmundMerkmal
B.1.7.1LambdaRache der britischen Mutanteimmun gegen AstraZeneca-Vakzin
C.3.1.5MyKalifornische Mutanteimmun gegen Moderna-Vakzin
P.2NyGriechische Mutanteimmun gegen BioNTech-Vakzin
C.3.1.6XiTexanische Mutanteimmun gegen Johnson & Johnson
C.6.6.6Omikrondeutsche Mutante, „Charlies Tante“löst ganz nebenher die Probleme Klima und Überbevölkerung

Die Veröffentlichungstermine für diese Mutationen waren auf dem Blatt leider nicht vermerkt.


Bonus: Ein Freund machte mich auf diese Perle aus der Tagesschau aufmerksam.

„Mit einem Anteil von 94 Prozent an den untersuchten Proben löst die Variante Alpha (B.1.1.7, entdeckt in Großbritannien) bundesweit weiter den Großteil der Infektionen aus.“ QED.

Update: Ein anderer Freund kritisierte, dass ich die italienische Variante nicht erwähnt habe. Ich erwiderte, dass sie keinen griechischen Buchstaben habe. Er konterte, das sei aber trotzdem eine eigene Variante. Ich erwiderte, dass sie aber keinen griechischen Buchstaben habe.

So ging das drei Minuten lang ergebnislos hin und her.

Ich wusste genau: Wenn ich hier nachgebe, wird er als Nächstes kritisieren, dass ich die nigerianische Variante nicht erwähnt habe, die kalifornische Variante unterschlagen habe, die finnische Variante überging, die Mutante von New York City ausgelassen habe, die Variante aus der Bretagne nachtragen solle, die in Bordeaux aufgetretene Mutante fehle, die vietnamesische Mutante sowieso …